„Das Cello war ein Glückstreffer!“
Warum ist es das Cello geworden?
Ich stamme aus einer Ost-Berliner Musikerfamilie und die Entscheidung kam von meinen Eltern, mein älterer Bruder spielte schon Violine. Das Cello war für mich ein Glückstreffer. Ich hatte sofort haptisches Interesse und der warme Klang fasziniert mich! Bis heute ist die Affinität zum Instrument nicht schwächer geworden, eher sogar stärker.
Das Cello hat ein sehr großes Spektrum, was das Klangvolumen betrifft können wir seit Rostropowitsch auch mit jedem anderen Soloinstrument mithalten. Mich persönlich interessiert ein Celloton, der sich im Raum quasi dreidimsional bewegt. Das hat mich immer interessiert: wie kann man den Ton so lebendig machen, dass man vergisst, dass er von einem Instrument erzeugt wird?
Das Cello verfügt fast über die Tiefe eines Kontrabasses und fast über die Höhe der Violine. Ist das Segen und Fluch zugleich?
Der Tonumfang ist eine sehr schöne Grundvoraussetzung und ermöglicht ein sehr breites Ausdrucksspektrum. Aber geht es nicht um die ständige Klangerweiterung? Ich habe diese Entdeckung neuer Klänge immer als meinen Lebensinhalt empfunden. Das würde ich wirklich so pathetisch formulieren. Ob es sich um neue Facetten im Dvořák-Konzert handelt oder um Uraufführungen von Wolfgang Rihm oder Jörg Widmann, ob es sich um künstlerische Dialoge mit Bill Murray handelt: zu helfen das Cello neu darzustellen, das ist meine Lieblingsaufgabe!
Welches Instrument spielen Sie?
Ich spiele eine Stradivari aus dem Jahr 1707. Es ist eines der ersten Celli in der goldene Periode, in der er 20 Celli gebaut hat und die Form des modernen Cellos begründet hat. Diese Instrumente zeichnet ein unglaublich starker Bass und eine sehr strahlende A-Seite aus. Mein Cello inspiriert mich jeden Tag und gleichzeitig ist es eine ungeheure Herausforderung, ihm auch Paroli bieten zu können, die Balance zu finden zwischen Zuhören und den Klang individuell formen.
Wer waren Ihr größte Mentoren?
Ich verdanke allen meinem Lehrern sehr viel. Da war zunächst Liselotte Schordan, dann Otto Gunkel, beide waren wunderbar geduldige Lehrer. Im Alter von 15 Jahren wechselte ich zu meinem Vater, er hat mir sehr viele Grundlagen und Maßstäbe beigebracht. Dann unterrichtete mich Josef Schwab, er hat mich vor allem tonlich sehr geprägt. Zwei Lehrer, die ich dann aus eigenem Antrieb gesucht habe, waren Siegfried Palm, der mir die zeitgenössische Musik nahegebracht hat, und schließlich Heinrich Schiff. Schiffs Steckenpferde waren das Verständnis des Notentexts und die stilistische Einordnung des Werks. Aber er hat mir auch vermittelt, dass man als Solist über eine ganz eigene Energie verfügen muss, gleichsam wie ein Held die Bühne betreten muss und für das Werk und die Vermittlung kämpfen muss.
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Solistenleben?
Disziplin. In der derzeitigen Phase meiner Karriere ist es essentiell immer neue Ideen zu verwirklichen, aber gleichzeitig auch das Niveau zu halten. Wenn man jung ist, kämpft man zunächst auch um Aufmerksamkeit. Wenn man sich einen gewissen Ruf erarbeitet hat, dann ist die Herausforderung, diesem auch gerecht zu werden. Das Publikum in der klassischen Musikwelt ist sehr treu, aber auch anspruchsvoll. Das ist ein sehr schönes tägliches Ziel, dem Werk und der Konzertsituation gerecht zu werden.
Gibt es einen großen Cellisten der Vergangenheit, in dessen Aufnahmen Sie sich immer wieder vertiefen?
Gregor Piatigorsky! Er stammte aus Russland, wurde aber auch in Leipzig und Berlin ausgebildet. Aus dieser Celloschule stammten auch mein Vater und Josef Schwab. In Ostdeutschland hatte sich die deutsche Celloschule nach dem Krieg fortgesetzt, da liegen meine musikalischen Wurzeln. Im Westen war man nach dem Krieg mehr von der französischen Schule beeinflusst, also André Navarra, Paul Tortellier, Pierre Furnier, Maurice Gendron. In der DDR war natürlich auch Mstislaw Rostropowitsch ein großes Vorbild.
Piatigorsky vereint Einflüsse der russischen und deutschen Schule und er ging dann von Europa nach Amerika. Er vereinte faszinierendes Cellospiel und solistische Grandeur, nicht zu vergessen sein schöner Ton.
Gibt es einen Unterschied in der Klangentwicklung der Celloschulen in Frankreich und Deutschland?
Die deutsche Celloschule würde ich mit dem Gesangsstil von Fritz Wunderlich vergleichen. Jeder Ton ist sofort da, er braucht keine Anlaufzeit, egal in welcher Dynamik, vom leisesten Pianissimo bis zum Fortissimo. In der französischen Celloschule entwickelt sich der Ton hingegen im Verlauf des Klanges, der Ton wird sozusagen langsam entdeckt. Bei der deutschen Schule hat man die Vorstellung, dass man das Cello nur berühren muss, um den darin quasi schlafenden Ton zu wecken. So wurde ich musikalisch erzogen. Das bedeutet auch, dass der Ton von Beginn an eine starke Durchsetzungskraft haben muss, um sich – zum Beispiel im Cellokonzert vom Orchester – abzuheben.
Ihre Zusammenarbeit mit Bill Murray ist auf dem besten Weg, Kultcharakter zu bekommen. Was kann Bill Murray von Ihnen lernen, was Sie von ihm?
Die Idee zusammenzuarbeiten, kam eigentlich sehr spät. Da waren wir schon einige Zeit befreundet. Die Bereiche Film und klassische Musik liegen weit auseinander. Aber als wir begannen unser Programm zu entwickeln, entstand sofort ein sehr kreativer Prozess. Was ich von ihm gelernt habe, ist vor allem Timing. Er ist einer der allerbesten Schauspieler, weil er über ein perfektes Timing verfügt. Oft wartet er mit einer Pointe bis zum allerletzten Moment, aber sie kommt auch keine Millisekunde zu spät. Und so ist es eben in der Musik auch: Timing ist alles.
Umgekehrt glaube ich, dass er von mir mehr über klassische Musik erfahren hat, ein Feld das ihn schon früher fasziniert hat. Auch hat ihn überrascht, dass ich mich relativ gut in der amerikanischen Literatur auskenne, meine Eltern hatten in Ostberlin eine sehr umfangreiche Bibliothek.
Wird das Projekt weitergehen?
Wir haben inzwischen 65 Konzerte in den USA, Europa und Australien gegeben, haben eine CD produziert und haben sehr viel zusammen erlebt, das war sehr schön und inspirierend, bisweilen auch sehr lustig! Wir haben bei diesem Projekt keinen Druck, da wir es beide aus Neugierde und Spass am Überschreiten von Grenzen machen. Ich bin gespannt was die Zukunft bringt.
© Dorn Music